Wenn die Achillessehne reißt: Wie eine frühfunktionelle Behandlung helfen kann

Regelmäßig schreibe ich im Auftrag der Landesinnung Bayern für Orthopädie-Schuhtechnik Fachartikel zu verschiedenen Themen. Diesmal ging es um die Versorgung bei einem Achillessehnen-Riss.

Der plötzliche Schmerz in der Wade ist stechend. „Normales“ Gehen ist nicht mehr möglich, hinkend versucht man zur nächsten Sitzgelegenheit zu kommen. Ob Leistungs- oder Hobbysportler, es kann jeden treffen: Eine falsche Bewegung – und die Achillessehne ist entweder an- oder gänzlich durchgerissen. Weil die Achillessehne nach wie vor die am meisten belastete Sehne beim Sport ist, nehmen neben den akuten Verletzungen (Rupturen), aber auch chronische Schmerzsyndrome weiter zu. Um sie erfolgreich zu behandeln, bedarf es des ineinander übergreifenden Zusammenspiels von Arzt, Orthopädieschuhtechniker und Patient. Hinsichtlich Behandlungsmethode gewinnt dabei der frühfunktionelle Ansatz zunehmend die Oberhand.

Mit der Verletzung, ob akut oder chronisch, beginnt in der Regel nicht nur die Behandlung und Therapie, sondern geht meist auch die Ungeduld des Patienten einher: „Wann kann ich wieder normal gehen, wann wieder arbeiten, wann wieder uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, wann wieder Sport treiben?“

Ein Blick auf die Achillessehne

Die Achillessehne verbindet die Wadenmuskulatur mit dem Fersenbein. Entsprechend ihrer Anatomie können Verletzungen folgende Bereiche betreffen:

  • Übergangsbereich von Muskel und Sehne (proximaler Bereich)
  • Freier Verlauf der Sehne (mittlerer Bereich): die häufigste Verletzungsform circa drei bis sechs Zentimeter von der Ansatzstelle entfernt
  • Ansatzbereich (distaler Bereich) am Fersenbein (Kalkaneus), meist mit knöchernem Ausriss am Fersenbein.

Wie erkennt und behandelt man einen Achillessehnenriss? 1)

Bei einer vollständigen Ruptur kann man in der Regel eine Delle im Verlauf der Achillessehne ertasten, außerdem ist für den Patienten der Einbein-Zehenstand unmöglich und funktioniert der Achillessehnenreflex nicht mehr. Der Arzt wird ferner den sogenannten Thompson-Test (wenn man in die Wade kneift, bewegt sich der Fuß im Sprunggelenk nicht in Richtung Fußsohle, auch Plantarflexion genannt) und bei Bedarf ein MRT durchführen und/oder Röntgen – Letzteres, um knöcherne Ausrissverletzungen auszuschließen.

Mit Ausnahme von Leistungssportlern, bei denen Achillessehnenrisse entweder minimalinvasiv oder offen operiert werden, erfolgt die Behandlung dieser Verletzungen mittlerweile meist konservativ. Dies gilt auch bei chronischen Überlastungs-/Schmerzsyndromen der Achillessehne. Dabei haben sich die funktionelle Therapie und die frühfunktionelle postoperative zunehmend durchgesetzt.

Frühfunktionell? Eine Frage des Schuhs!

Die Zeiten, in denen der Patient bei einer Achillessehnenruptur über einen längeren Zeitraum hinweg einen Gips tragen musste, sind vorbei. Und zwar nicht nur, weil er eine beschwerliche und unangenehme Immobilisation allenfalls nur noch über wenige Tage akzeptieren würde, sondern vor allem auch wegen der Gefahr von auftretenden Immobilisationsschäden bei längeren Gipsbehandlungen.

Diverse Studien zeigen eindeutig: Die funktionelle bzw. frühfunktionelle Therapie und Nachbehandlung ist u.a. wegen der früher wieder hergestellten Mobilität der konventionellen Gipsversorgung überlegen.

Grundsätzlich gilt bei der frühfunktionellen Behandlungsmethode, dass die Belastung der Sehne jeweils der momentanen Belastbarkeit angepasst wird. Dabei empfiehlt es sich auf jeden Fall, die jeweiligen Therapiearten zuvor mit dem behandelnden Arzt und Orthopädie-Schuhtechniker zu besprechen, um die Vorteile des Konzeptes, vor allem der erheblich verkürzten Genesung, in Anspruch nehmen zu können.

Entscheidend für die Behandlung ist der eigens entwickelte Therapieschuh, der in verschiedenen Modellen und von verschiedenen Herstellern in der Orthopädieschuh-Technik angeboten wird. Die Schuhe ermöglichen kontrollierte Bewegungen und Belastungen, die den Heilungsprozess erheblich unterstützen. Kunststoffschienen in den Stiefelschächten verhindern ein erneutes Umknicken.

Im sogenannten Stabil-Schuh mit Vollbelastung der Extremität wird die funktionelle Beanspruchung für die Sehnenheilung umgesetzt. Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche konservativ-funktionelle Therapie ist ein vollständiger Kontakt der Sehnenenden in 20-Grad-Plantarflexion.

Ganz wichtig: Ohne einen Patienten, der motiviert ist und kooperiert, geht es nicht, weil nach ein bis zwei Wochen der Patient in der Regel keine Schmerzen mehr hat und zum Beispiel bei der Fußpflege, währenddessen der Schuh kurzzeitig abgelegt wird, die Versuchung groß ist, die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks zu testen.

Erst nach sechs Wochen sollte der Therapieschuh nachts abgelegt werden, nun erfolgt auch die erste Absatzreduktion um einen Zentimeter. Intensive Bewegungsübungen für das obere Sprunggelenk beginnen erst nach Ablegen des Schuhs nach acht Wochen und werden mit einer Gangschulung kombiniert. Ungeachtet des vollständigen Behandlungsverlaufs ermöglicht es die frühfunktionelle Therapie, dass die Patienten keine längeren Auszeiten z.B. von der Arbeit hinnehmen müssen. Gerade für Freiberufler und Selbstständige ist es wichtig, nach zwei bis drei Wochen wieder ihrem Beruf nachgehen zu können.

In der Nähe…

Für alle, die zur Versorgung mit Therapieschuhen einen qualifizierten Orthopädie-Schuhtechniker suchen: Die Landesinnung Bayern für Orthopädie-Schuhtechnik stellt auf ihrer Website im Bereich „Betriebe vor Ort“ die einzelnen Mitgliedsbetriebe vor.

Foto: Orthotech GmbH

1) Quellen: Felix Zimmermann, Dr. med. Bernhard Segesser, Emanuel Abt: „Achillessehnenruptur“ in medicalsports network 03.13. und Michael H. Amlang, Hans Zwipp „Diagnose und Therapie der Achillessehnenruptur“ in CHAZ, 10. Jahrgang

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